Mehr Solidarität wagen!

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Transformation ist Thema der dieswöchigen photo challenge. Es wäre mir ein leichtes, Euch hier noch ein paar meiner unzähligen Bilder vom herbstlichen Wandel zu zeigen. Satte Farben, ein bisschen Schwermut, Schönheit.

 

Und doch bringe ich es nicht über mich; mir drängen sich andere Bilder in den Kopf. Ich denke an die soziale Transformation, an den Wandel unserer Gesellschaft, an die Zunahme der Spaltung, an Luxussanierung und Gentrifizierung, an Armut. An Krieg, Terror, Flucht. An die Verschuldung ganzer Staaten und deren katastrophale Auswirkung.

Und daran, dass viel zu viele Menschen angesichts dessen entweder resignieren – was kann ich schon tun? – oder aber sich gegeneinander aufhetzen lassen. Dass Umweltthemen und Soziales oft genug als gegeneinander konkurrierende Themen dargestellt werden, lässt mich schnappatmen. Dass es viel zu häufig gelingt, mit dem Finger auf „die“ Flüchtlinge zu zeigen und zu suggerieren, „die“ Ausländer schuld seien schuld an unserem löchrigen Sozialsystem, macht mir Angst, ist schändlich, entsetzlich, erbärmlich. Wir lassen uns erzählen, die Armen seien dumm und/oder faul und die Obdachlosen an ihrer Lage selbst schuld. Oder „die Griechen“. Oder auf wen auch immer mit dem Finger gezeigt wird.

Es ginge uns doch immer noch vergleichsweise gut, wird uns gesagt. Vergleichsweise – das mag richtig sein. Aber warum, frage ich mich, sehe ich dann ständig diesen älteren Herren in unseren Hof kommen und in den Mülltonnen nach brauchbarem suchen? Warum greifen Menschen in die städtischen Abfalleimer und klauben die Pfandflaschen heraus? Weil es ihnen zu gut geht? Warum nächtigen Menschen auf der Straße und sind die Notunterkünfte überfüllt? Und warum bittesehr hängen im Sozialamt Zettel mit den Adressen der Tafeln und der kostenlosen Kleiderausgabe, wenn doch angeblich staatlicherseits allen Menschen ausreichend geholfen wird?

Ich finde es fatal, wenn Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen gegeneinander ausgespielt werden. Pilotenvereinigung und Erwerbsloseninitiativen, SiemensmitarbeiterInnen, Studierende, Behindertenverbände, MieterInnenvereinigungen, der Verein Psyiatrieerfahrener und die VerkäuferInnen der Straßenzeitungen. Warum ist der gesellschaftliche Aufschrei so leise, wenn die NRW-Regierung verkündet, das Sozialticket abzuschaffen? Wenn einem Empfänger von Alg2 ein Teil des Regelsatzes gestrichen wird, weil die zuständige Sachbearbeiterin ihn beim Betteln gesehen hat? Wenn einem ganz offensichtlich arbeitsunfähigen Mann das Krankengeld – sofort und bis zum Ende des Bezugszeitraumes gestrichen wird, weil ohne sein eigenes Verschulden in seiner Krankschreibung eine Lücke von einem Tag entstanden ist?

Ist es nicht an der Zeit für wieder mehr Solidarität? Zusammenhalt? Mitgefühl?

 

 

 

Autor: Ines Udelnow

Portraitzeichnungen, Zeichnungen aus der Natur und Naturfotografie

14 thoughts

  1. Liebe Agnes, gerade heute habe ich ein Plädoyer für Arme und besonders für notleidende Kinder gehalten. Ich kenne Leute, die bestellen über diese dämlichen Fernsehwerbesender so unendlich viel, dass die Wohnung schon aus allen Nähten platzt. Jeden Tag kommen 1 bis 3 Pakete – Geld haben sie also ausreichend.
    Ich schlug vor, monatlich was auf ein Spendenkonto zu überweisen. Na, den Protest hättest du hören müssen. „Da wird ja betrogen“ war noch das Harmloseste. Meinen Einwand, sich eine ganz einwandfreie Organisation auszusuchen, wurde damit vom Tisch gewischt, dass sich ja von dem Spendengeld die Mitarbeiter ihre Löhne zahlen. Ich fragte nur: „Und wovon sollen die sonst bezahlt werden, denn umsonst müssen sie doch wohl nicht arbeiten, nach deiner Meinung.“
    Die Dummheit, Arroganz und der Egoismus kennen bald keine Grenzen mehr. Wenn ich das ganze wahnsinnig teure Plunderzeug in den Geschäften sehe, was auch noch gekauft wird, da wird mir Himmel, Angst und Bange.
    Einen lieben Gruß zu dir

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    1. Das ist richtig, liebe Clara. Natürlich müssen auch die Helfenden von etwas leben, es sei denn, sie sind reiche Erben und können sich Ehrenamtlichkeit leisten, oder sie haben eine mindestens 40-Stunden-Woche und Familie und keine Zeit für viel Engagement oder aber sie sind selbst EmpfängerInnen von Sozialleistungen, womit sie ja nun auch schräg angesehen werden (ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte da hilfreich sein). Klar verstehe ich die Skepsis, wenn es um die großen Organisationen geht, wo man nicht weiß, in welche Töpfe die Spenden gehen und wieviel Geld für sinnlose Werbung ausgegeben wird usw. Aber nur ein wenig Recherche würde einen kleinere Organisationen finden lassen, wo man ganz genau sieht, wofür das Geld verwendet und.
      Sei herzlich gegrüßt
      Agnes

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      1. Für eine Recherche irgendwelcher Art außer nach neuen Artikeln bei TV123 oder wie die Werbesender heißen sind beide zu unbegabt oder zu uninteressiert.
        Es ist erschreckend und passt alles so zusammen – Ausländerfeindlichkeit kommt auch noch hinzu.
        Ich glaube, das „einfache Volk“ denkt nur an den eigenen Bauch.

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  2. Es ist schon lange Zeit dafür und ich verstehe diese Ruhe auch nicht!!! So vieles stinkt zum Himmel. Ich mache gerade Sozialstudien auf dem Weihnachtsmarkt, weiowei, wenn ich etwas Zeit finde schreibe ich diesen Artikel in der nächsten Woche, nun sammel ich erst einmal Sätze und Bilder.
    Danke Agnes, dass du nicht wegschaust!
    herzlichst, Ulli

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