Die Angst ist eine Närrin und verliert an Macht. Linolschnittworkshop mit Susanne Haun

 

Bereits Monate im voraus hatte ich mich für den Workshop Linolschnitt von Susanne Haun in der Graphothek Berlin (Link zur Graphothek: https://www.graphothek-berlin.de/?hmenu=3&item=64; Link zu Susannes Blogbeitrag zu diesem Workshop: https://susannehaun.com/2019/05/23/impressionen-vom-linolschnitt-workshop-in-der-graphothek-berlin-dozentin-susanne-haun/) angemeldet. Für mich alles andere als eine Selbstverständlichkeit, denn Gruppenveranstaltungen fallen mir schwer bzw. sind teils unmöglich. Was mich dennoch zur Anmeldung bewegte war, dass das eine wunderbare Gelegenheit war, Susanne, deren Blog ich seit ca. zwei Jahren regelmäßig lese, auch einmal persönlich zu treffen. Zudem war sie mir durch ihren Blog bereits so vertraut, dass sich meine Angst vor ihr in Grenzen hielt und ich hoffte, ein Kurs bei ihr könne für mich so etwas wie einen geschützten Rahmen darstellen. Die ausgeschriebene Kursdauer von zwei Stunden versprach außerdem keine langen persönliche Vorstellungsrunden und keine Pausen, in denen die Gefahr drohte, mit den anderen Teilnehmenden sprechen zu müssen. Zugegebenermaßen war auch das kleine Kursentgelt für mich ein wichtiger Grund – mein monatliches Budget erlaubt eigentlich keine Spirenzchen wie Zeichenkurse und Workshops (nun habe ich schweren Herzens mein Zeitungsabo gekündigt und fortan hoffentlich ein wenig mehr Luft für derartige „Extravaganzen“). Kurz und gut: da mich auch und besonders das Thema anschrie – seit einem halben Jahr befasse ich mich ja mit Linolschnitt und Holzschnitt und wollte schon lange einmal einer Profi dafür über die Finger schauen -, ritt mich ein mutiges Teufelchen und verleitete mich zur Anmeldung.

Selbstredend löste sich das Teufelchen bald darauf in Luft auf und statt dessen tobten Zweifel und Angstszenarien durch meinen Kopf. Ich war mir sicher, dass mich Susanne sofort durchschauen und meinen mangelnden Kunstverstand und mein fehlendes Talent erkennen würde, dass ich hoffnungslos scheitern, kein Wort herausbringen und mich so blamieren würde, dass ich im Boden versinken müsste und mich auch hier in Bloghausen nie wieder zeigen könnte. Leserinnen und Leser mit Neigung zu sozialen Ängsten werden wissend nicken und ähnliches aus anderen Situationen berichten können. Schön, wenn sich die Ängste im nachhinein als unberechtigt herausstellen. Auch wenn es für mich nicht einfach war und ich nicht nur wegen der Hitze jenes Tages oder der körperlichen Anstrengung des Schneidens schwitzte (gleichzeitig verstärkt das Schwitzen natürlich die Angst – stinke ich? fällt das auf? bin ich für die anderen eklig?) und nach dem Kurs mehr als eine Woche Regenerationszeit benötigte – ich habe den Workshop nicht nur unbeschadet überlebt, sondern auch dazugelernt.

Susanne als Dozentin ist wunderbar und sympathisch und merkwürdigerweise war sie mir vom ersten Augenblick vertraut, obwohl ich sie zuvor nur aus dem Internet kannte. Ich kann jedem und jeder guten Gewissens zuraten, sich in einen ihrer Kurse zu wagen.

Es ging in diesem Workshop um die Umsetzung eines Bildes mit Berliner Motiv (Hintergrund der Veranstaltung ist das Fontanejahr) im Dreifarbendruck nach dem Prinzip des verlorenen Schnittes – alle Farben werden mit nur einer Platte gedruckt. Eine Vorlage im A5-Format sollten die Teilnehmenden mitbringen.

Selbstredend bereitete mir die Motivauswahl schon Wochen vorher Kopfzerbrechen. Als Perfektionistin konnte ich ja schlecht „irgendwas“ mitbringen. Ich entschied mich letzten Endes für die Weltzeituhr, die ich aus verschiedenen Gründen besonders mit der Stadt verbinde und den Fernsehturm im Hintergrund. Praktischerweise war W jener Tage vor Ort unterwegs und ich ließ mir Fotos aus verschiedenen Perspektiven mitbringen, die ich nicht ganz realitätsgetreu in einer Zeichnung miteinander kombinierte. Und weil ich aus Erfahrung weiß, dass in Stresssituationen mein Denk- und Urteilsvermögen zu versagen droht, habe ich das Motiv mit Pauspapier mehrfach kopiert und verschiedene Farbversionen erstellt, die ich als Vorlage mit zum Workshop brachte, sowie eine spiegelverkehrte Version der Zeichnung als Schnittmuster. Nun fühlte ich mich halbwegs sicher und vorbereitet.

Um es kurz zu halten: die Vorbereitung war hilfreich, das Schneiden und Drucken unter Susannes Anleitung klappte gut; nur hätte ich mir für die zwei Stunden Workshopzeit ein weniger detailreiches Motiv vornehmen sollen. Denn „natürlich“ brauchte ich länger als die anderen; die zwei Stunden waren herum, ich schnitt noch immer an meiner Platte und wäre am liebsten im Boden versunken oder wäre mit unfertigem Druck nach Hause geflüchtet, hätte mir Susanne nicht immer wieder bedeutet, dass ich ruhig zu Ende arbeiten solle und die Zeit gar kein Problem sei; bis ich ihr wenigstens etwas glaubte und den Druck fertigstellte, während die garstige Stimme im Hinterstübchen „Bummelletzte, Bummelletzte“ geiferte.

Anfangs war ich gar nicht so zufrieden mit dem Ergebnis – vielleicht, weil ich sowieso dem eigenen Werk besonders kritisch gegenüberstehe und manchmal etwas zeitlichen Abstand brauche, um meine Zeichnungen und Drucke zu beurteilen.

Nun hängt das Bild gerahmt und mit Passepartout und ich muss mir eingestehen, dass das Ergebnis aus der aus der Ferne sogar ganz passabel aussieht.

 

 

 

Nachtrag:

Beitag Nr. 1000

Nach Veröffentlichung dieses Beitags sehe ich, dass es sich hier um meinen tausendsten auf diesem Blog handelt und denke, dass das doch ein guter symbolischer Zusammenfall ist – ein Jubiläumsbeitrag zum Thema Kunst und Überwindung von Änsgten. Wenn das mal nicht hoffnungsfroh stimmt …

 

Autor: Ines Udelnow

Portraitzeichnungen, Zeichnungen aus der Natur und Naturfotografie

39 thoughts

  1. Liebe Agnes,
    Ich habe mich sehr gefreut, dich beim Workshop kennenzulernen.
    Sein Linolschnitt gefällt mir sehr gut, toll, dass du ihn gleich gerahmt hast.
    Du hast deine Unsicherheit gut verborgen und du musst dir keine Sorgen machen, dass jemand irgendetwas von dem, von dem du so mutig berichtest, wahrgenommen hat.
    Ich bin auf deinen nächsten Linolschnitt gespannt,
    Ein schönes Pfingstfest von Susanne

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    1. Lieben Dank für Deinen Kommentar, Susanne, und für das Feedback, dass ich auch in solchen Stresssituationen nach außen völlig „normal“ wirke.
      Mir ist noch eine Frage eingefallen: ich bin noch auf der Suche nach gutem, aber erschwinglichen Papier zum Drucken. Welches haben wir eigentlich im Workshop benutzt?
      Ein wunderschönes Pfingstwochenende für Dich!
      Herzliche Grüße
      Agnes

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      1. Ich hatte der Graphothek von Hahnemühle das sumie-Papier empfohlen, aber sie haben ein anderes Papier benutzt, liebe Agnes. Ich frage am Dienstag nach, welches Papier Frau Vinzing gekauft hat.
        Außerdem schaue ich mal im Boesner Katalog nach einer preiswerten Alternative, ich melde mich dann nach Pfingsten bei dir.
        Liebe Grüße von Susanne

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      2. Gerne, du kannst mit dem Papier auch experimentieren und Drucke zum Beispiel auf Zeitung oder Geschenkpapier fertigen. Dabei ist zu bedenken, dass diese Papiere nicht lichtecht sind, so dass es gut ist, auch Drucke auf gutem Papier zu arbeiten. Meistens erstelle ich um die 10 bis 15 Drucke vom ersten Schnitt, bevor ich die Platte weiter bearbeite. Das ergibt dann eine kleine Auflage.
        Liebe Grüße von Susanne

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    2. Guten Morgen, Agnes,
      anbei die Angaben vom Papier, die ich von der Graphothek erhalten habe:
      Es handelt sich bei dem Papier um Linoldruckpapier, 24 x 35 cm, Naturweiß, 100 g/qm.
      Ich habe mal gegoogelt, wo das Papier herkommen könnte und habe bei Gerstaeker einen Linoldruckblock gefunden, der 9,95 für 20 Blatt kostet. Den kann ich auch empfehlen:
      https://www.gerstaecker.de/Vang-Linolblock.html
      Liebe Grüße von Susanne

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    1. Lieben Dank für Deinen Kommentar und Dein Mutmachen. Natürlich muss Mut letztlich immer aus sich heraus und von innen kommen, aber ich freue mich sehr über Deinn und die ermutigenden Kommentare der anderen Mitbloggerinnen.
      Ein schönes Pfingstwochenende für Dich!
      Herzliche Grüße
      Agnes

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  2. Die Weltzeituhr und der Fernsehturm in Agnes-Art, wenn du sie mal gedruckt verkaufst, möchte ich bitte gern Druck 77 kaufen – wenn nicht so viele gedruckt werden, dann Druck 7.
    Bei unserem Kennenlerntreffen hatte ich gar nicht den Eindruck, dass dir das „kontakten“ so schwer fällt, aber ich bin auch psychologisch nicht so geschult.

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    1. Liebe Clara,
      ich freue mich über Dein Lob. Dieser spezielle Druck ist allerdings ein Unikat. Beim Prinzip des verlorenen Druckes werden alle Farben mit einer Platte gedruckt – man muss sofort alle gewünschten Exemplare jeder Farbe drucken, danach schneidet man die Platte aus, um die nächste Farbe zu druken. Da zwei Stunden sehr knapp sind, hat jeder im Workshop natürlich nur ein Exemplar gedruckt.
      Aber vielleicht fertige ich künftig noch einmal eine weitere Version an; dann denke ich an Dich, und Du bekommst die Nr. 7 :-)

      Was den äußeren Anschein betrifft; manchmal schaffe ich es nach außen hin, die Situation gut zu spielen (Schauspielerinnentalent :-) )- nochzumal unter Adrenalinschub wegen der Lesung. Allerdings kostet es immer eine unglaubliche Menge Kraft, die mir dann die folgenden Tage und eventuell Wochen fehlt. Ich habe ja auch noch Verantwortung der Familie gegenüber. Daher muss ich gut haushalten und auf einem Grat wandern zwischen Überforderung / Training und Erhalt der Fähigkeiten und ungesundem Rückzug ins Schneckenhaus. Gerade habe ich da einen guten Weg gefunden.
      Geht es Dir inzwischen besser und hast Du die Chemnitzer-Busfahrer-Reise verdauen können?
      Liebe Grüße von Agnes

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    1. Ganz lieben Dank, liebe Christiane. Stolz bin ich und nach allen Euren positiven Rückmeldungen muss ich aufpassen nicht zu platzen ( :-) nein, nur Spaß :-) ). Ich bin wirklich erfreut und gerührt.
      Herzliche Grüße und ein wundervolles Pfingstwochenende für Dich!
      Agnes

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    1. Schön, dass Dir der Duck gefällt, auch wenn das Passepartout weiß ist – das liegt an dem Foto, bei dem sich die Weißtöne ein wenig verschieben.
      Für den Druck brachte Susanne so ein schönes natur-creme-farbiges Papier mit, was gut mit dem Passepartout kontrastiert. Ich entwickele schon wieder „Konsumwünsche“, es mir zu besorgen ;-)
      Liebe Grüße zu Dir!

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  3. schade, dass du dir das Leben so schwer machst, Agnes. Jede und jeder der Teilnehmer eines solchen Workshops ist doch vor allem an seinem eigenen Tun interessiert und guckt kaum auf die anderen. Aber nun, Hauptsache, du hast es durchgestanden. Dass deine Arbeit gelungen ist, versteht sich, das ist aber nicht mal das wichtigste.

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    1. Liebe Gerda, ja, der Verstand weiß ja, dass all die Ängste und Beklemmungen Unfug sind – es ist da so ein unkontrollierbarer Anteil in mir, der bei solchen Gelegenheiten Kontrolle über mich, mein Handeln und Denken erlangt. Es kostet ganz schön Kraft, diesen Part in die Schranken zu weisen. Zurzeit mache ich da einige Schritte in die richtige Richtung und bin zuversichtlich.
      Herzliche Grüße zu Dir!

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      1. Das freut mich sehr, Agnes. Ich verstehe natürlich, dass es nicht voll in deiner Macht liegt, solche inneren Quälgeister in ihr Schranken zu weisen, umso wichtiger ist es standzuhalten und ihnen nicht das Feld zu überlassen. Anti-Angst-Training in kleinen überschaubaren Dosen habe ich schon als kleines Kind aus eigenem Antrieb erfunden, und es hat mich vor sehr vielem bewahrt, mir viel Freiheit geschenkt. Liebe Grüße! Und ein Hoch auf die kleinen Siege!

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