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Sehr viel Hoffnung spürt sie gerade nicht. Ihre Wahrnehmungsfilter, verdichtet vom Grau der Jahreszeit, fokussieren auf die dunklen Nachrichten dieser Wochen – global und gesellschaftlich, aber auch im persönlichen Umfeld – , die überreichlich waren. Gevatter Tod war fleißig.
Wenn sie in sich hineinhört, dann erschallt die ewiggleiche Leier, das Geblubber kennt sie schon und nimmt die innere Karussellfahrt der Selbstabwertungen fast mit Gelassenheit hin. Die innere Phrasendrescherin gemahnt, den Augenblick zu leben, dankbar zu sein für jede Minute des kostbaren Lebens und auch dafür, dass die Allernächsten noch auf Erden wandeln. ‚Hastenichgesehen kann alles fix vorbeisein.‘ Allein: ist gar nicht so einfach, das Glücklichsein, wenn sich eine unsichtbare Krankheit psychisch und körperlich wie ein bockiger Esel vor die Türe stellt, alles bremst und tonnenschwer macht. ‚Hab dich nicht so‘, schimpft die innere Domina, die Sadomasospielchen liebt und sich am liebsten die eigene Haut vom Körper peitscht. ‚Streng dich doch mal an, andere schaffen das auch! Wenn nicht, dann hast du es halt nicht verdient, das gute Leben.‘ (‚Leistung muss sich doch auch lohnen‘ – wo bitteschön hat sie denn diesen Schwachsinn aufgeschnapppt?!) Die Psychoedukierte will das innere Kind umarmen (liebevoll will sie sein, weiß aber nicht so richtig, wie das geht). Klappt aber sowieso nicht – das Kind ist nicht zu finden. Ist vielleicht auch besser so. ‚Hör auf zu Jammern und nimm dein Leben endlich in die Hand‘, gemahnt die Ehrgeizige, die ihr Leben tatsächlich mal im Griff hatte. ‚Schieb doch nicht ständig diese blöde Krankheit vor. Laaaaangweilig!‘ Eine Schlussstrichdebatte will sie anstoßen. Doch der Schalk unterbricht sie mit übertriebenem Tremolo in der Stimme: ‚Vorwärts immer, rückwärts nimmer!‘ Und da müssen dann doch alle ein wenig grinsen und sind für einen Augenblick still.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht und schwarzer Humor ist ihr Rettungsring in allen Lebenslagen. Solange der nicht verschüttet ist, kann sich auch die Hoffnung nicht nicht ganz vom Acker gemacht haben. Dort hinten in der Ecke – ist da nicht ein kleines Leuchten?
Und falls das Verglimmen sollte: im Frühjahr kommen die Kraniche zurück, die Vögel des Glücks und der Hoffnung. Nur bis dahin gilt es durchzuhalten. Das ist doch zu schaffen, ganz bestimmt!
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Text und Zeichnung sind ein Beitrag zu Petra Pawlofskys Gemeinschaftsprojekt „Zündstoff Hoffnung“.
Die Kranichzeichnung ist gleichzeitig Teil meiner Reihe 1000 Kraniche ein – ebenfalls zum Thema Hoffnung.
„‚Leistung muss sich doch auch lohnen‘ – wo bitteschön hat sie denn diesen Schwachsinn aufgeschnapppt?!“ – sicher bei der FDP.
„Schieb doch nicht ständig diese blöde Krankheit vor.“ Das habe ich auch öfter zu hören bekommen, als mir lieb war. Gebrochene Beine oder Herzinfarkte werden pfleglicher behandelt und auch eher geglaubt.
Ganz liebe Grüße an das innere Kind und die äußere Künstlerin von
Clara
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Danke, liebe Clara, für die Grüße. Diese Sprüche kennen wohl leider viel zu viele Leute und viel zu viele haben sie auch verinnerlicht und richten sie im Zweifel auch gegen sich selbst — Fragen wie: „stelle ich mich nicht einfach nur an und bin in Wirklichheit faul und nichtsnutz“ – die habe ich von sehr vielen Betroffenen gehört.
Mein innere Kind ist heute gute gelaunt und ich insgesamt recht milde gestimmt, das zeigt sich auch im heutigen Portrait, das ich gleich hochladen werde.
Liebe Grüße zu Dir
Ines
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Mit den Kranichen fliegen ankommen, da sein, zurückfliegen, und wieder ankommen.
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Das wäre schön :-)
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Liebe Ines, dein Beitrag ist für mich sehr berührend. Ja, bei all den Zumutungen des Lebens ist Hoffnung manchmal oder oft weit entfernt. Schön zu sehen, wie der Humor dann zur Hoffnung tragen kann! Und die Malerei! Denn der Kranich ist mit seinen weiten Schwingen so nah an der Sonne und überhaupt in einer so lichtvollen Umgebung! Ganz herzlichen Dank dafür! Dass deine Kraniche auch Zeichen der Hoffnung ist, habe ich gar nicht mitbekommen! Vielleicht fliegt ja noch ein anderer bei unserem Projekt vorbei? Liebe Grüße, Petra
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Danke, liebe Petra, für Deinen schönen Kommentar. Es reizt mich, noch an einem weiteren Kranich zu arbeiten und es freut mich, dass auch er wieder bei Dir willkommen sein wird.
Liebe Grüße
Ines
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Und was springt mich an? Das Wort „tonnenschwer“. Ja. Kenne ich.
Hab noch eins fürs Phrasenschwein: Aufgeben gilt nicht! 😏🧡
Danke.
Morgenkaffeegrüße 😉☁️☕🍪👍
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Danke Dir, liebe Christiane. Ja, Aufgeben gilt nicht, und das ist ja auch nicht nur eine Phrase. Zwar muss das nicht heißen, sich auf Teufel komm raus an etwas festzubeißen, stur gegen Windmühlen zu rennen, sondern auch mal loslassen können, wenn es erforderlich ist. Aber die Dinge, auf die es ankommt, nicht zu vergessen … selbst wenn das nächste Etappenziel noch im Nebel verborgen liegt.
Liebe Grüße
Ines
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Schwarzer Humor, Hoffnung – ja.
Dein Beitrag hat mich animiert, aufzustehen und zu schreiben.
Danke fürs teilen, liebe Ines.
Und Grüße!
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Das ist doch mal wirklich schön und freut mich sehr, lieber Reiner. Lieben Dank für Deinen Kommentar.
Herzliche Grüße
Ines
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