Bodenwunder

Ich übe mich ja in Achtsamkeit und entdecke bei meinen täglichen Spaziergängen so viel Schönheit – auch mitten in der Stadt!

Zwar erwische ich mich immer und immer wieder, dass ich den Kopf gesenkt halte, die Schultern nach vorn ziehe und mit dem Blick auf den Boden gerichtet laufe. Dann mahne ich mich freundlich und korrigiere meine Haltung. Denn es ist nicht nur so, dass sich die Stimmungslage eines Menschen über seine Körperhaltung zeigen kann – nein, sie manifestiert so auch noch. Mir erscheint das vollkommen einleuchtend: sehe ich nach vorn, habe ich eine viel offenere, freiere und weitere Sicht.  Sehe ich zu Boden, ist mein Blickfeld sehr eingeschränkt. So kann ich manche guten Dinge gar nicht erkennen. Natürlich lässt es sich mit geradem Rücken und erhobenem Kopf auch viel freier Atmen. Das Hirn wird besser mit Sauerstoff versorgt und … Nun – ihr könnt Euch denken, welchen Effekt das hat.

Noch gucke aber wenig später, nachdem ich mich korrigiert habe, automatisch wieder zu Boden. Ich gelobe Besserung, denn das ist tatsächlich etwas, was ich selbst in der Hand habe. Dadurch werden Depressionen nicht geheilt und auch nicht verhindert werden können, aber therapeutisch unterstützend ist es auf jedem Fall, da bin ich sicher.

Aber – auf dem Boden gibt es gerade zu dieser Jahreszeit so viel schönes zu sehen! So ziehe ich dennoch das Gute aus dem eher Schlechten. Und weil man heutzutage selbst mit einer Handykamera schon ganz passable Bilder machen kann, bleibe ich immer wieder stehen, um das eine oder das andere Foto zu machen.

Ich bin mir gar nicht sicher, ob diese Vielfotografiererei so gut ist. Denn hier versuche ja wieder den Augenblick der Schönheit einzufangen, festzuhalten. Den Anblick einfach genießen, dann weitergehen und hinterher nicht diese Trauer spüren, etwas verloren zu haben, weil ich nun etwas anderes sehe – das kann ich nicht. Noch nicht – denn vielleicht ist das tatsächlich etwas, was man auch üben und als Verhaltensmuster ändern kann. Für kommende Woche habe ich mir jedenfalls vorgenommen, beim wöchentlichen Achtsamkeitsspaziergang – geleitet von der Stationsergotherapeutin, die ich ja sehr schätze – mitzumachen. Ohne Fotoapparat und ohne Handy.  

Jetzt aber noch drei meiner Bodenimpressionen für mich und für Euch.

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Autor: Ines Udelnow

Portraitzeichnungen, Zeichnungen aus der Natur und Naturfotografie

8 thoughts

    1. ;-) das denke ich ganz oft auch bei den Dingen, die Du beschreibst!
      Dir weiterhin viel Kraft, Geduld mit Dir selbst, einfühlsame Klinikmitarbeiter und Mitpatienten, mit denen das geteilte Leid oft leichter wird.

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  1. Das ist genau auch meine Erfahrung. Die Wechselwirkung von Körper und Seele. Seelischer Haltung folgt eine entsprechende Körperhaltung. Umgekehrt aber auch!

    Du machst alles richtig, in deiner eigenen Zeit.

    Grüße aus dem Tal der Wupper!

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  2. Im Grunde genommen geht es bei unseren beiden heutigen Posts um dasselbe: durch Achtsamkeit mehr Freude in sein Leben zu bringen. Es freut mich, dass du einen achtsamen Spaziergang hattest.

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    1. Das war mir irgendwie vorhin auch durch den Kopf gegangen ;-)
      Nur dass ich fürchte, dass mir dazu noch sehr viel Gefühls- und Innenarbeit bevorsteht, die sich nicht „einfach“ durch veränderte Verhaltensmuster verändern lassen.
      Nochmals liebe Grüße an Dich

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