Wegwarte

Wegwarte

Die Wegwarte ist eine der Pflanzen, die sich in meinem Kopf unlöslich mit der Erinnerung an meine Oma verknüpft haben.

Ich weiß noch nicht einmal genau, warum. Nie bin ich mit ihr durch die Straßen gegangen, über Feldwege getänzelt und schon gar nicht war ich mit ihr auf dem Rummelplatz, wie ein berühmter Schlager jener Jahre verhieß. Ich habe meine Oma, die von Jahr zu Jahr schlechter laufen konnte und in ihrem Stolz entschieden zurückwies, die Straße mit einer Gehhilfe zu betreten, immer nur in ihrem Haus erlebt und später dann im Pflegeheim.

Es wird wohl so gewesen sein, dass ich an jenem Tag mit meinem Opa unterwegs war und wir von der Endhaltestelle der Straßenbahn nach Hause liefen, wo ich unterwegs ein paar Feldblumen für meine Oma pflückte. Bestimmt hat sie mir, als ich ihr stolz den Strauß überbrachte, erklärt, dass ich keine Kornblumen, sondern Wegwarten gefunden hatte. Vielleicht hat sie mir dann auch wieder eine ihrer Erzählungen aus ihrer Kindheit und Jugend erzählt, die so liebte und die ich immer und immer wieder hören konnte. Wenn ich die Augen schließe, kann ich noch ihre Stimme vernehmen.

Autor: Ines Udelnow

Portraitzeichnungen, Zeichnungen aus der Natur und Naturfotografie

8 thoughts

  1. Wie schön, wenn am frühen Morgen die Wegraten ihre blauen Augen öffnen! Pflücken kann man sie aber wohl nicht, die Stängel sind zu hart. Die Blüten halten sich nicht, schließen sich und verwelken schon am Mittag.
    Omas und Opas zu haben ist Reichtum.

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    1. Meine Großeltern waren für mich in meinem Leben sehr wichtig und ich träume immer wieder von ihnen, auch wenn sie bereits seit fast neun Jahren nicht mehr leben.
      Am allerliebsten mag ich Blumen sowieso am Strauch auf der Wiese.

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      1. Omas hatte ich zum Glück, sogar recht lange, aber Opas fehlten (Vater auch). Eine „Vaterlose Gesellschaft“ (Mitscherlich) war Deutschland in den Nachkriegsjahren….

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      2. Ja, der Ausdruck ist leider passend.
        Mein Opa hatte Glück; kurz vor Stalingrad bekam er einen Handdurchschuss, der ihn ins Lazarett brachte und vor dem sicheren Tod bewahrte.
        Der Vater meines (Stief)Vaters hat den Krieg ebenfalls überlebt, aber er kämpfte auf der anderen Seite, der Roten Armee.
        Sie trafen sich nicht oft (die russischen Großeltern lebten weiter in der SU), aber ich erinnere mich, wie beide Kriegsveteranen bei uns in Frieden und Harmonie nebeneinander saßen. Der eine der Sprache des anderen nicht mächtig, aber auch ohne Worte verstanden sie sich und schlossen Frieden miteinander. Für mich hatte das damals (und auch heute) ein große Symbolkraft.
        Dass nach dem Zerfall der Sowjetunion und auch Jugoslawiens in vielen Gebieten plötzlich wieder Krieg ausbrach, Menschen sich hassten und umbrachten – das war auch so eine manifeste und sehr nachhaltige Erschütterung meines Kinderweltbildes.

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  2. Danke für Ihren schönen Text!

    Haben Sie gewußt, daß die Wegwarte eine enge Verwandte von Muckefuck, Chicoree und Radicchio ist, viele verschiedene Namen trägt (so schöne wie Sonnendrath und Hindlope) und vielleicht auch Novalis‘ Blaue Blume ist?

    Die Stimme meiner Oma kann ich auch immer noch hören und ihren Geruch nach Heu, Brennholz, einer Spur Essen und Gemütlichkeit riechen, obwohl sie seit bald 30 Jahren tot ist.

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    1. Sonnendrath und Hindlope – das sind wirklich ganz wundervolle Namen. Das wusste ich noch nicht. Auch nicht, dass die Wegwarte verwandt ist mit unter anderem dem sehr berühmt-belächelten und doch geschätzten Muckefuck.

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  3. Meine absolute Lieblingsblume! Allerdings ist sie ohne Messer oder Schere nur schwer zu pflücken! Vielleicht hat dir ja deine Großmutter auch diese traurige Geschichte dazu erzählt?
    „Es war einmal eine verliebte Prinzessin. Ihr Geliebter, ein stolzer Rittersmann, begab sich auf einen Kreuzzug. Die traurige Prinzessin ging jeden Morgen mit all ihren Kammerzofen an den Wegesrand und erhoffte die Rückkehr ihres Geliebten. Eines Tages erbarmte sich der liebe Gott ihrer und verwandelte sie und ihre Zofen in wunderschöne Blumen. Die Prinzessin wurde zu einer weißen und ihre Zofen zu blauen Wegwarten. Und so warten sie noch heute am Wegesrand und erhoffen sehnsüchtig die Rückkehr der LIEBE.“

    Quelle: https://pronatur24.eu/die-wegwarte/2226
    noch mehr dazu findet sich hier: http://www.sachsen-natur.de/wegwarte.php

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    1. Das ist ja wirklich eine traurige aber wunderschöne Geschichte. Ich glaube nicht, dass mir meine Oma gerade diese Geschichte erzählt hatte, aber bestimmt eine ähnliche, denn an ein trauriges Mädchen, das am Weg wartete, kann ich mich in diesem Zusammenhang erinnern.

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