
Das Zeilenende hatte im Februar zu einem gemeinsamen Fotoprojekt aufgerufen – zwölf Monate lang soll jeweils am letzten Sonntag des Monats eine Momentaufnahme eines selbstgewählten Motivs präsentiert werden.
Der Aufruf erzeugte ein überwältigendes Echo und auch ich bin von der Idee so begeistert, dass ich hier das Wachstum der zu recht umstrittenen Baustelle des ebenso umstrittenen Investors Groth Gruppe am Berliner Mauerpark dokumentiere.
Nach zwölf Monaten nun ist das Projekt offiziell abgeschlossen. Es ist ein Jahr vergangen, der Januar fast vorbei und der Jahreskreis hat sich geschlossen. Die Bäume sind kahl, der Boden matschig, der Himmel zumeist grau. Dennoch lugen in diesem warmen Winter bereits die ersten Sitzen der Frühblüher aus dem Boden.
Auch „meine Baustelle“ ist gewachsen. Wenn es mir vor einem Jahr noch undenkbar schien, sind heute doch die ersten Wohneinheiten bewohnt. Doch vollendet ist die Baustelle noch lange nicht und für mich steht außer Frage, dass ich die Baustelle auch in Zukunft begleiten und dokumentieren werde.

Insofern gibt es heute keinen Rückblick und Vergleich der Zwölfmonatsbilder. Ich habe eine derartige Menge an Aufnahmen, es gibt so viele Häuser, die gewachsen sind, dass es mit einem kurzen Abriss nicht getan sein wird.
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Heute hatte ich beim Fotografieren Begleitung, die mir eher vorsichtigem Menschen Mut zusprach und wir betraten das Gebäude der sogenannten Studentenappartments (Ihr erinnert Euch an die sündhaft teuren Zimmer, die Kapitalanlegern als profitable Renditenquelle angepriesen wird) – schließlich stand die Eingangstür einladend offen. Hm, ja, alles neu, chic, kühl. Der Waschraum mit Kicker und Sprühkunst an den Briefkästen noch das coolste. Lange Flure, die eben für solche Behausungen typisch sind. Sicherlich nicht das schlimmste, hier wohnen zu müssen – wären da nicht die eher studentenunverträglichen Mietpreise. Die Zimmer im Erdgeschoss vom großen Hof gut einsehbar, aber so weit geht mein Voyeurismus nicht, dass ich von außen in bewohnte und gerade auch benutzte Zimmer hineinfotografiere. Aus der oberen Etage dann ein Blick über die Häuser der Stadt bis hin zum bekannten Fernsehturm. Aus dem anderen Fenster lässt sich der rege S-Bahn-Verkehr beobachten.
Der Gebäudekomplex im Süden, dessen Fundamente letztens noch den Füchsen ein Versteck bot, wie ich im vergangenen Beitrag zeigte, ist weiter gewachsen, aber noch können Tiere aller Art hier Unterschlupf finden. Füchse sind mir aber heute leider nicht noch einmal begegnet.
Der Kindergarten, der an der Grenze zum Hof der Häuser der Graunstraße entstand, ist fast fertig. Offensichtlich richtet er sich auch schon an Eltern, die schon unter Einjährige in die Kita geben wollen oder müssen, so lässt der Blick durch das Fenster auf die Schlafkörbe vermuten. Apropos Fenster – für eine Kita hätten die doch auch größer sein können, oder? Macht das Bauwerk einen gemütlichen Eindruck? Na, hoffentlich wirkt es wärmer, wenn die ersten Kinder hier eingezogen sind und den Bau in Besitz genommen haben.
Später wird es zu den einzelnen Gebäudekomplexen mehrere Zugänge aus allen Himmelsrichtungen geben. Verständlich, dass jene, die ganz im Norden wohnen, keine Lust haben, immer eine große Runde um die Baustelle zu machen und so gibt es eben auch auf der Nordseite ein Schlupflocher bzw. Überstieg für jene, die entsprechend sportlich sind. Dann geht es noch ein wenig durch den Baustellenmatsch und flugs ist er oder sie zu Hause.
Soviel für heute von mir.
Dem Link zum zwölften und finalen Beitrag vom Zeilenende empfehle ich Euch unbedingt zu folgen – dort findet Ihr seine Monatsblicke sowie die jeweilige Verlinkung auf die vielen spannenden Beiträge der anderen. Dir liebes Zeilenende meinen herzlichen Dank für die Inspiration. Erhole Dich gut :-)!
Und meine bisherigen Beiträge gibt es hier:
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 11
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 10
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 9
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 8
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 7
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 6
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 5
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 4
Groth statt Grün – Zeilenendes Fotoprojekt 3
Liebe Agnes, Studenten aus reichen Häusern, deren Eltern ihnen diese Zimmer finanzieren? Aber ehrlich, für mich wäre das auch als Studentin nix gewesen, mich erinnert es zu sehr an Käfighaltung und alles so steril, selbst Überzieher werden „befohlen“ – und dann noch die Kita, nee, nee, nee!
Danke für deine Doku, die ich immer wieder sehr gerne angeschaut habe, bei aller Abweh vor solchen Komplexen, nun sehe ich schon Kirschlorbeer in den Vorgärten als Abgrenzung wachsen und allerlei anderes das pflegeleicht ist.
Du hast geschrieben, dass du die Baustelle weiterhin fotografieren wirst, ich freue mich auf deine Fortsetzungen, herzliche Grüße, Ulli
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Steril, ja, das ist ein passendes Wort. Ob da wohnliche Stimmung aufkommen kann? In Berlin ist die Zahl Wohnungsknappheit auch unter Studierenden derart drückend, dass viele keine Wahl haben werden, als bei Mama und Papa zu schnorren – falls diese entsprechend flüssig sind – oder selbst einen hohen Kredit aufzunehmen. Wer weiß, wie viele Burnouts und Depressionen in diesem Haus geboren werden?
Ob die BewohnerInnen es schaffen, die Häuser zum Leben zu erwecken? Immerhin sind es ja nicht ausschließlich gut situierte (Spieß?)Bürger, die dort wohnen werden, da es ja auch ein paar Sozialwohnungen gibt (die sich allerdings aufgrund der Miete auch nicht jene leisten können, die ganz am unteren Einkommensende leben) und angesichts des Wohnungsmangel wird die Wohnungsbaugesellschaft kaum Schwierigkeiten gehabt haben, sich eine brave pflegeleichte Zusammensetzung der Hausgenossenschaft zusammenzustellen…
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Wir leben schon in einer extremen Zeit! Die Grundrechte werden mit Füßen getreten (ein bezahlbares Dach über dem Kopf gehört ja „eigentlich“ dazu), aber die Menschen sind resigniert und stehen nicht auf, so wirklich verstehe ich das ja nicht!
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Auf den ersten Anhieb fallen mir da ein: Angst das zu verlieren, was man noch hat, Ruhigstellung durch Stress auf der Arbeit und familiäre Sorgen, vor allem aber Süchte wie Fernsehen (Hirnwäsche, Ablenkung, Beschäftigung) oder Serienkonsum, materieller Konsum (hier noch ein T-Shirt für 3 Euro, das lenkt vielleicht ab …) Hinzu die Desillusionierung, dass man sowieso nichts ändern kann, verquere Vorstellungen von „die da oben“ „Wir hier unten“ …
Es gibt wohl leider viele Gründe, warum die meisten es vorziehen, weiter zu schimpfen und zu wettern, dann aber darauf warten, dass die anderen „etwas“ tun. Oder, noch schlimmer, sogenannten „Protest“ wählen …
Es ist wahrhaftig traurig … Aber … Ich habe heute die ersten Schneeglöckchen gesehen, die trotz des grau in grau weiß geleuchtet haben. Das nehme ich als Zeichen der Hoffnung.
Liebe Grüße
Agnes
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Wieder ein wichtiges Dokument, wie deine ganze Reihe. Hoffentlich machst du auch nach dem Jahreskreis noch weiter, bis die Kinder in der KiTa oder was immer diese Scheußlichkeit werden wird, eingezogen sind. (Ich frage mich, warum Kinder immer auf so winzigen Raum gesperrt werden. Sind sie so unprofitabel?)
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Tja, gute Frage … Wahrscheinlich lassen sich Kinder wirklich nur dann auskömmlich betreuen, wenn man sie auf kleinstem Raum mit minimalem Pflegeaufwand „hält“. Das damit verbundene Thema der Bezahlung von ErzieherInnen (wie ja auch von AltenpflegerInnen und anderen sozialen Berufen), das ja eine Wertschätzung der Arbeit in doppeltem Sinne sein sollte, ist ja zwar immer mal wieder Thema in Diskussionen und Sonntagsreden, aber ob sich in den nächsten Jahrzehnten grundsätzlich etwas an der Anerkennung der Betreuung der jüngsten und ältesten Mitglieder unserer Gesellschaft ändern wird? Es ist zu hoffen … Zu unser aller Wohlergehen.
Liebe Grüße an Dich
Agnes
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wow, wahnsinn, da ist ja einiges entstanden… immer wieder faszinierend, wie viel sich in einem jahr verändern kann…
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In der Tat. Die Veränderung ist hier unübersehbar und ich bin froh, dass ich die einzelnen Schritte festgehalten habe. Und ich werde auf jeden Fall weiter berichten…
Liebe Grüße an Dich!
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