abc.etüden 39.40 / Reisen für eine bessere Welt

 

Wochenlang bin ich um die wundervollen abc.etüden herumgeschlichen. Es kribbelte in meinen Fingerspitzen. Irgendwie wollte ich auch mal. Aber dann konnte ich mich doch nie aufraffen. Oder es fehlte die Inspiration.

Heute nun: Peng! Oder Platsch? Der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, war Christianes aktuelle Etüde Gewissensentscheidung. Während ich kommentierte, fiel mir ein, wie die Geschichte sich ja auch auflösen könnte und später kreiste die Idee weiter in meinem Hirn, machte Salto, holte sich Inspiration in der Etüde einer weiteren einer lieben Mitbloggerin, die ich jetzt erst einmal nicht erwähne, damit ein wenig Spannung bleibt.

Beim Niederschreiben erwies sich schnell, dass ich die ersten exakt 298 Wörter allein für die Einleitung, für das pure Vorgeplänkel verbraten würde.

Der letzte Satz ist noch nicht getippt! Zwar weiß ich ganz genau, in welche Richtung meine Geschichte gehen soll, aber ich kann nicht dafür garantieren, dass mich die Meeresströmung nicht noch auf Abwege treibt. Geplant sind drei Teile. Vorerst.

 

***

 

Nur für den Fall, dass ihr die Etüden nicht kennen solltet: dieses Schreibprojekt wird organisiert und begleitet von Christiane und es sind drei Begriffe in maximal 300 Wörtern unterzubringen. Spenderin der Wörter für die Textwochen 39 und 40 des Jahres 2018 ist Anna-Lena von Meine literarische Visitenkarte.

Die Begriffe lauten:

Kreuzfahrt
gemeingefährlich
stelzen

 

***

Meine Erzählung knüpft an Christianes Etüde an, allerdings wird hier nicht auf die Reise verzichtet. Im Gegenteil. Aber genug der Vorrede: lest selbst!

 

Reisen für eine bessere Welt

(vorläufiger Titel)

Teil 1

Nach dieser mehr als eindrucksvollen Szene war Lisa zu Marlene geradelt und hatte ihrer geduldigen Freundin einen mehr als zweistündigen Monolog gehalten. Dabei war sie vom hundertsten ins tausendste gekommen. Von Krieg, Flucht und Vertreibung über Massentierhaltung, Klimaschutz und Erderwärmung, Rassismus, Frauenunterdrückung und Homophobie. Gar nicht zu sprechen von der wachsenden Schere zwischen arm und reich, der ungerechten Verteilung von Ressourcen und der Schlechtigkeit des Menschen an sich: gemeingefährlich, habgierig und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht.

 

„Und meine Eltern sind auch solche selbstgefälligen ignoranten Arschgeigen wie alle anderen“, schäumte Lisa. Dabei stampfte sie mit dem Fuß auf. Die Zornesröte war ihr ins Gesicht gestiegen.

 

Erschöpft von der langen Rede ließ sie sich neben Marlene ins Gras fallen. Beide Mädchen schwiegen. Immerhin kannte Marlene ihre Freundin gut genug um zu wissen, dass sie schon in ein paar Minuten wieder zugänglich für Argumente war.

 

Und siehe da: Als zwei kleine Mädchen auf viel zu großen Stöckelschuhen durch den Park stelzten, gackerten und prusteten, während sie ganz offenkundig ihre großen Schwestern nachäfften, musste Lisa schon wieder ein wenig lächeln.

 

Na endlich, seufzte Marlene, und begann ihrer Freundin zu erklären, warum diese unbedingt mit ihren Eltern zu jener Kreuzfahrt fahren müsse. Warum diese Reise sogar ein erster Schritt hin zu einer besseren Welt werden würde. Lisas Mutter hatte Marlene nämlich klugerweise bereits eingeweiht. Sie kannte ihre Tochter und wusste, dass diese erst einmal an die Decke gehen würde, sobald sie nur die Worte „Kreuzfahrtschiff“ und „Mittelmeer“ hörte.

 

Lisas Augen wurden immer größer, während sie atemlos zuhörte. Dann fing sie an, sehr breit zu grinsen. Und schon wieder lief ihr Gesicht rot an, doch diesmal vor Stolz ihre coolen Eltern, sie sich diesen genialen Plan ausgedacht hatten.

 

Jetzt freute sich sie auf die Reise! Aber erst einmal würden sie sich gut vorbereiten.

 

Teil 2 folgt

 

2018_3940_2_300

 

 

 

Autor: Ines Udelnow

Portraitzeichnungen, Zeichnungen aus der Natur und Naturfotografie

27 thoughts

  1. Da bin ich aber auch gespannt – schön, dass ich gleich weiterlesen kann. Lisa erinnert mich an mich, also ich Teenie war und alles bemängelte, was die Umwelt belastete und ethisch unkorrekt schien. LG

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    1. Naja, ich dachte da an geborgte Schuhe, der Mutter aus dem Schuhregal stibitzt (und sah dabei mich selbst als Mädchen durch unseren Flur staken). Ich kenne mich inzwischen leider gut mit Fuß- und Gelenkschmerzen aus und bekomme auch das schlimmste Grausen, wenn ich Kinderschuhe mit dicker fester Sohle und dann auch noch hohen Absätzen sehe …
      Liebe Grüße

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      1. Mein Gedankengang war, dass in der Aufzählung der Krankheiten dieser Welt die Kinderpornos fehlen und deswegen hat mich das Bild mit den stöckelnden Kindern gestört. Was immer man schreibt, gibt es halt immer LeserInnen, die andere Assoziationen haben :)
        Übrigens hat mir deine Idee gut gefallen, an Texte von anderen anzuschließen und weiter zu schreiben. So was ähnliches sind ja auch die Anton-Geschichten, die Flumsi begonnen hat.

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      2. Oh, jetzt verstehe ich, was Du meinst. In der Tat, das zählt zu den großen Übeln dieser Welt! Diese Assoziation hatte ich nicht beabsichtigt, wie Du Dir denken kannst.
        Ja, es macht Spaß, sich auf andere zu beziehen und an deren Ideen anzuknüpfen :-), das ist ja auch das Wesen des gemeinsamen Bloggen :-)

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  2. Ich musste lachen, als deine kleine Heldin die Übel dieser unserer modernen Welt wie am Schnürchen runterbetete. Und fragte mich: welche davon sind nun neu, welche schon älter und welche so alt wie die Menschheit?

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    1. Da hast Du ganz recht. Manche Übel sind so alt wie die Menschheit selbst. Andere entfalten dieser Tage erst ihre besondere Dynamik.
      Neu ist: zumindest wir Menschen der sogenannten westlichen Welt haben einen viel leichteren Zugang zur Bildung (auch wenn bekanntermaßen Bildungchancen weiterhin bestimmt sind von Herkunftsfamilie, Wohngegend und anderen Faktoren). Wir wissen viel mehr um die Zusammenhänge, können uns informieren, Informationen abwägen und entsprechend handeln – oder auch eben weg sehen.

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      1. Mir scheint, die Menschen im Altertum waren bisweilen gebildeter als wir Heutigen. Alles wurde bereits gesagt und gedacht. Wir müssen es nur in unsere Weltverhältnisse übersetzen.

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      2. Für die großen Philosophen mag das sogar stimmen, auch wenn das ein Privileg weniger Männer war …
        Gut, dass jetzt so viel mehr Menschen Zugang zu Wissen haben. So können viele an dieser Übersetzung mitarbeiten, wollten sie denn …

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      3. Alles ist eben relativ. Auch heute lebt der größte Teil der Menschheit in Unbildung. Gemessen an den damaligen Weltverhältnissen war die Bildung recht verbreitet, und der Austausch zwischen den Kulturen war viel lebhafter als heute. Auch Frauen war die Bildung nicht verwehrt. (Einige berühmte Beispiele aus dem griechischen Sprachraum: die Dichterin Sappho aus Lesbos, die Priesterin Diotima aus Arkadien, auf die sich Sokrates bezog, die Philosophin Aspasia, zweite Frau von Perikles, die berühmte Mathematikerin Hypatia aus Alexandria,… Sie lehrten Philosophie, Dichtkunst, Mathematik, Musik)

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      4. Liebe Gerda,
        das ist ein wunderbar interessantes Thema. Früher interessierte ich mich sehr für die antike Geschichte, inzwischen ist es diesem Wissen vielleicht wie dem Palast von Knossos ergangen. Du kennst Dich da auf jeden Fall viel besser aus.

        Woran ich mich noch erinnere ist die Struktur des Oikos mit dem Mann als Herren des Hauses, dem die Frauen des Hauses nicht ebenbürtig waren. Und an den Ausschluss der weiblichen Bürgerinnen an Wahlen in Athen usw. Was Du über gebildete und einflussreiche Frauen schreibst, klingt da auf jeden Fall sehr spannend. Das ist das also noch ein Thema zu dem ich mir vornehme, mich wieder mehr zu belesen. Danke für den Anstoß.

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  3. Wie schön, dass dein Fingerkribbeln nun Worte gefunden hat! Ich bin sehr gespannt wie es morgen weiter geht und gleichzeitig denke ich, dass Teil 1 eine Etüde für sich ist, sie lässt mich weiterspinnen!
    herzliche Grüße, Ulli

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    1. Liebe Ulli, jetzt bin ich gespannt, wie sich die Geschichte in Deinem Kopf weiterspinnt :-)
      Nachdem ich Teil zwei aufgeschrieben habe, ahne ich, dass es wohl mehr als drei Teile werden. Ich bin selbst ganz gespannt.
      Liebe Grüße
      Agnes

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  4. Du machst es ja richtig spannend! Ich bin sehr gespannt, wie es weitergeht und was du bzw. Lisa bzw. ihre Eltern bzw. (ach, egal) so aushecken.
    Toll, schon die zweite Fortsetzungsgeschichte!
    Und herzlich willkommen bei den Etüden-Verrückten!
    Liebe Grüße
    Christiane

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