#INKTOBER2018 (11) und abc.etüden 41.42.18 – Der alte Fischer auf dem Meer

 

Für den  #inktober war der für heute vorgeschlagene Begriff whale – Wal. Eigentlich ganz einfach, schließlich gibt es die Geschichte von Jonas und dem Wal. Aber so richtig gut kenne ich die nicht. Mit ihr bin ich als Kind nicht großgeworden. Vielleicht liegt das an meiner atheistischen Erziehung in der DDR, denn ich habe eben noch einmal nachgelesen: es handelt sich um eine Erzählung aus der Bibel.

Ich kann und will für den #inktober aber nur zu Märchen zeichnen und erzählen, zu denen ich eine tiefe persönliche Beziehung habe – weil ich sie mir als Kind nämlich wieder und wieder habe vorlesen lassen oder zu denen ich Schallplatten besaß, die ich heute fast noch auswendig kann.

So habe ich kurzerhand den klugen Meeressäuger zu einem Fisch gemacht und sofort gewusst, was ich heute zeichnen und schreiben will. Und da das Thema gut zu Gerdas Wortspende passt, habe ich die heutige Zeichnung wieder mit den abc-etüden verknüpft.

 

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Der alte Fischer auf dem Meer

 

Seine Alte weiß auch nicht, was sie will. Sonst treibt sie ihn an, Tag für Tag, und scheucht ihn aufs Wasser. Wenn er abends mit leeren Fässern nach Hause kommt, zetert sie. Er hätte sich bloß nicht richtig angestrengt. Zählt auf, was die anderen Fischer so an Land bringen. Wie weit sie es hätten bringen können, nur mit ein bisschen mehr Fleiß. Stattdessen hockten sie noch immer in ihrer engen dunklen Kate. Der Klaus und der Hans-Dieter – die seien inzwischen Leistungsträger im Dorf. Und er? Ein Waschlappen sei er.

 

Kaum sitzt er mal, scheucht sie ihn wieder hoch. Er solle sich nützlich machen. Die ganze Arbeit bliebe immer nur an ihr hängen. Und schon beginnt eine Litanei, bei der sie ihm skrupulös jeden einzelnen Handschlag beschreibt, den sie tut, während er angeblich faulenzt.

 

Aber heute? Als er heute sein Boot zur Ausfahrt fertigmachte, war ihr das auch wieder nicht recht. Heiliger Sonntag, Kirche, so ein Quatsch. Und dann wolle sie hin und wieder auch mal Zeit mit ihm genießen. Hach! Der alte Fischer spuckt ins Wasser. Was seine Ilse unter Genuss versteht, das weiß er: Tischdeckchen, Kuchen, Kaffeeklatsch mit den Nachbarinnen. Und er soll den ganzen Tag daneben sitzen und sich benehmen.

 

Er holt er einen Apfel aus der Tasche, schält ihn und schneidet ihn in zwei Hälften. Die eine Hälfte isst er, die andere wirft er ins Wasser. Das macht er immer, als demütige Geste gegenüber dem Herrscher der Meere.

 

Ein heftiger Ruck bringt das kleine Fischerboot fast zum kentern. Rechtzeitig kann er sich dagegenstemmen und das Gleichgewicht wieder herstellen. Dann holt er sein Netz ein. Schwer geht das heute. Er zieht und zieht und zieht – und staunt! Ein riesiger Butt hat sich in seinem Netz verfangen.

 

Teufel auch! Heute Abend wird er Ilses Held sein

 

 

(299 Wörter)

 

 

 

 

________

Die aktuellen Wörter der abc.etüde – Genuss, skrupulös und schneiden – sind eine Spende von Gerda Kazakou. Die Regeln dazu findet ihr bei Christiane, die diese wundervolle Blogaktion betreut. Lieben Dank dafür!

Falls Ihr Euch fragt, was dieser #inktober sein soll, lest  >>HIER<<.

 

 

Autor: Ines Udelnow

Portraitzeichnungen, Zeichnungen aus der Natur und Naturfotografie

20 thoughts

    1. Ja, die Ilse muss ein schrecklicher Hausdrachen sein, jedenfalls aus der Sicht des alten Fischers :-) Er hat es nicht einfach mit ihr. Und dann weiß der Leser ja, er wird wieder von seiner Inge keine Anerkennung, sondern Anschiss bekommen, weil er, lieb wie er ist, den Butt schwimmen lässt. Ach …
      Liebe Grüße

      Gefällt 1 Person

  1. Wie schön dein Butt ist! Und ja, es ist ein tolles Märchen. Ich fand übrigens schon immer das Märchen „unrealistisch“: Am Ende müssen der Fischer un sine Fru erneut vom Ausgangspunkt aus starten. In einer kapitalistischen Gesellschaft liege/läge der sozial gesehen tiefer …
    Liebe Grüße
    Christiane, buchmessengeschädigt

    Gefällt 1 Person

  2. Ha, zum Glück wissen wir alle, wie diese habgierige Frau erst aufsteigt und am Ende wieder in ihrer Kate sitzt – und darauf freue ich mich schon heute, denn Habgier ist eine Todsünde, auch ein Begriff aus der Religion.
    Gruß an dich, nicht aus der Bibel!

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    1. Lieben Grüß auch an Dich.
      Habgier ist mir übrigens auch fremd. Aber dieses „mehr, mehr, mehr“ der guten Frau ist vom Wachtumscredo unserer Gegenwart gar nicht so weit entfernt. Nur dass sie das Glück hat, hernach wenigstens wieder in ihrer Kate zu sitzen. Was aus unserer Welt wird … Nun, da sollten wir schnell die Kurve bekommen.
      Eine Gute Nacht zu Dir!

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    1. Ich habe es gelesen, danke für den Link. Das hätte ich sonst gar nicht entdeckt: Du hattest ja mal einen richtigen Märchensamstag. Wie schön :-). Durch zwei Deiner Samstage habe ich mich eben mal gelesen, aber ich stöbere demnächst gern mal wieder :-)

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