#INKTOBER2018 16: angular. Die Königinmutter in spe ergreift das Wort

 

Für das heutige #inktober – Thema habe ich den Begriff angular zugegebenermaßen sehr, sehr weit gedehnt. Ins Deutsche übersetzen lässt sich „angular“ als kantig und eckig, aber auch steif, knochig, hager und linkisch; und als barsch. Und genau auf diesen Begriff sprang die Stiefmutter des Aschenputtel an, die anscheinend nur darauf gewartet hatte, sich in Szene zu setzen. Barsch – in einem Tonfall, den ich mir sonst von niemandem gefallen lasse! – befahl sie mir, heute ihr das Wort zu überlassen.

 

Das habe ich nun davon. Ich hätte sie eben nicht zeichnen und damit zum Leben erwecken sollen. Dabei wollte ich doch nur ein neues hellbraun-grau getöntes Zeichenpapier ausprobieren. Das ist nicht gerade billig – wie eben fast alles richtig gute Papier – und so probiere es erst im kostengünstigeren A4-Format aus, bevor ich es mir eventuell dann den A3-Block für das Portrait-Zeichnen gönne.

 

Die heutige Vorzeichnung machte ich dünn mit Bleistift, setzte die Striche mit einem extra feinen Fineliner und trug sodann ein wenig Kreideweiß, Sepia, Rötelkreide und Carbon-Schwarz auf, wobei ich die Pigmente sofort verwischte. Sie sollten keinesfalls den Untergrund ganz abdecken. Leider vergaß ich, das Blatt vor dem Farbauftrag einzuscannen.

 

Oh! Die Aschenputtels Stiefmutter reißt mir die Tastatur aus den Händen. Ich muss das Wort abgeben und verabschiede mich schon einmal von Euch … … …

 

 

 

Königinmutter in spe

 

 

Na, hattet ihr Mitleid, als ihr von dem ach so armen Aschenputtel gelesen habt? Ach was, kümmert euch um euer eig’nes dreckiges Leben! Das Mädel ist viel zu weich und jammerig. Ein verzogenes Sensibelchen! Gott, geht die mir auf die Nerven! Von Geburt an war ihr das Glück in den Schoß gefallen. Kein böses Wort zu ihr, in Watte gepackt vom ersten Tag. Drei Kindermädchen! Dazu eine Mutter, die auch ständig um sie herumgluckte. Küsschen hier und Küsschen da. Igitt! Alles hatte das Gör: eine riesige Villa – fast schon ein Schloss – , Schlafzimmer, Spielzimmer, Esszimmer – allein für das Kind. Gold, Perlen, Edelsteine, Kleidchen aus Seide! Tausend Bücher, Puppen und anderes unnützes Spielzeug. Vier fette Mahlzeiten am Tag! Die wusste doch gar nicht, was Wünschen ist – alles bekam sie, sobald sie nur ihr Äuglein darauf richtete. Soll sich wirklich nicht so anstellen, wenn sie jetzt mal ein bisschen was arbeiten muss und merkt, dass sie nicht der Nabel der Welt ist. Hat es noch gut bei mir. Kann sie auch aus dem Haus jagen. Dann landet sie in der Gosse und wird da elendig verrecken. Seht, wie edelmütig ich noch zu ihr bin? ’S ist doch nicht mein eigen Fleisch und Blut und trotzdem dulde ich sie weiter hier im Haus.

 

Warum ich so einen Hals auf diese Göre habe? Könnt ihr nicht zuhören? Obwohl, eigentlich wäre mir das junge Ding egal, wenn sie nur nicht so verdammt wohlerzogen, sittsam und dann auch noch so ekelhaft hübsch wäre. Selbst durch die dicke Staubschicht schimmert da irgendetwas hervor, das mir Sorgen macht. Wehe, sie kommt mir in die Quere, wenn ich meine Töchter verheirate! Ich, ICH und keine andre, werde Schwiegermutter des jungen Prinzen; und damit eines Tages Königinmutter! Das wird ein Triumpf sein ohnegleichen. Dann habe ich es allen bewiesen: im Dreck bin ich aufgewachsen, Hunger war mein bester Freund. Doch ich habe gekämpft und alles, wirklich alles, dafür getan, aus dem Elend herauszukommen. Erfolgreich war ich. Guckt mich doch an! Den reichsten Mann der Stadt hab ich mir geangelt (ein Kinderspiel war das!) und führe ihn am Gängelband, diesen Trottel! Ich habe alles Geld der Welt, kann alles kaufen, was ich auch will.  Doch zufrieden werde ich erst sein, wenn ich zur Familie des Königs gehöre und sich alle vor mir auf den Bauch in den Schmutz schmeißen, die mich je gedemütigt haben. Dann kann ich zufrieden sterben.

 

Glaubt mir, ich schaffe das!

 

#inktober

#inktober2018

https://inktober.com/rules/

Autor: Ines Udelnow

Portraitzeichnungen, Zeichnungen aus der Natur und Naturfotografie

16 thoughts

    1. Lieben Dank, Christiane.
      Bei der Stiefmutter war es wohl so, dass sie die Erfahrung gemacht hat, dass man mit Gutherzigkeit nicht weiterkommt und nur derjenige überlebt, der seine Ellbogen spitz genug ausgefahren hat. Das ist schade für sie. Möge es anderes besser ergehen.
      Liebe Grüße
      Agnes

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  1. Halleluja, es kommt mir ja fast vor, als wenn du eine „gespaltene Persönlichkeit“ bist – so wie du hier die „Wunsch-Königin-Mutter in spe“ wettern lässt.
    In so einer Stimmung wollte ich dir dann doch nicht übr den Weg laufen :-)
    Du wirst noch zur Märchentante!

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    1. Naja, irgendwelche „bösen“ Anteile haben wir wohl alle, nur dass zum Glück viele von uns diesen wenig Raum geben. Auf der Bühne oder auch schreibend finde ich es spannend, auch diese Seite auszuleben.
      Liebe Grüße

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