Solidarisches Handeln oder Me-and-My-family-first-Prinzip. Gedanken unter Blütenzauberhimmel

Sind es Zierkirschen oder Ziermandeln? Ich weiß es nicht. Jedenfalls blühen diese Bäumchen jedes Jahr im Frühjahr wunderschön und leuchten hellrosa satt, ohne im Sommer je Früchte zu tragen. Angesichts der teilweisen Dauerblüte vereinzelter Knospen den gesamten vergangenen warmen Winter über hatte ich ein wenig Sorge gehabt, dass dieses Jahr die Blüte ausfallen könnte. Oder zumindest sehr karg bleiben. Grundlos, zum Glück. Doch frage ich mich, ob wir diesen hübschen Anblick angesichts unserer lahmen Pseudoanstrengungen im Kampf gegen Erderwärmung und Klimawandel verdient haben.

 

 

Wie gut übrigens, dass ich einiges an Fotografien „auf Halde“ habe, um sie die kommenden Tage hier im Blog zu zeigen. Ich war heute kurz vor der Haustür, doch in meiner Wohngegend sind die Straßen derart propenvoll gewesen – einen Mindestabstand zu anderen Menschen zu halten war gar nicht so einfach. Und auch wenn ich mir um mich persönlich keine Sorgen mache, geht es mir doch um den Schutz aller , die als besonders gefährdet gelten und um deretwillen die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden muss. Jeder von uns hat gewiss – so er oder sie nicht selbst betroffen ist –  Freunde, Verwandte und Bekannte, für die eine Infektion mit SARS-CoV-2 schlimmstenfalls tödlich wäre. So werde ich mich natürlich an die Aufrufe halten, nicht unnötig draußen herumzulaufen und andere als potentielle wandelnde Virenschleuder zu gefährden.

Natürlich gilt für mich die Regel: Solidarität, Rücksichtnahme, Achtung der Bedürfnisse anderer. Mich einzuschränken, damit andere nicht gefährdet werden? Ja, sicher! So wurde ich erzogen und halte das für normal und richtig. Daran haben auch unzählige Therapiestunden, in denen ich über Selbstfürsorge und Selbstachtsamkeit reflektierte, nichts geändert. Zwischen Selbstfürsorge und Egoismus gibt es eine Grenze, auch wenn die schwer zu finden ist.

Andere Leute sehen das anderes, haben verinnerlicht, dass verliert, wer sich selbst nicht der allernächste ist. Wer zuspät kommt, den bestraft das Leben, wer kenn ihn nicht, den blöden Spruch. Oder: Die anderen sind auch egoistisch, also musst du das gleiche tun; sonst gehst du unter. Sind das die Hamster? Oder wenn nicht, dann sind es die, die eng an eng in Restaurants kuscheln und sich einen Kehricht um eventuelle Infektionsketten scheren?

Wie sich das Verhalten der Menschen wohl die Waage halten wird? Die kommenden Tage und Wochen werden es zeigen.

„Wir müssen unseren Alltag ändern, nicht allmählich, sondern jetzt“, ruft der Bundespräsident D’s auf. Und meint damit die Coronapandemiegefahr. Aber eigentlich ließe sich jedes dieser Worte auch auf die Klimakrise übertragen. Nur handelt es sich hier nicht um zeitweise Beschränkungen, sondern dauerhafte Veränderungen. Auch hier muss sich ein Teil der Menschheit beschränken, damit die anderen die Chance auf ein Weiterleben haben. Ob wir es schaffen, aus der Coronakrise zu lernen, uns auf das Wesentliche zu besinnen und hernach gleich weitermachen und unser Handeln und Tun auch hinsichtlich einer Begrenzung des CO2-Ausstoßes, der Ressourcenverschwendung, Müllproduktion und des Artensterbens hinterfragen und radikal verändern? Achtsame Selbstwahrnehmung und Achtung der Bedürfnisse anderer vs. Ichsucht aus Furcht, das Spiel sonst gänzlich zu verlieren? Das „Me and my family first-prinzip“ mag kurzfristig zu Überleben und „Fortschritt“ der Menschheit beigetragen haben und ist in gewissem Grade nachvollziehbar. Langfristig ist es wohl der Menschheit Untergang.

Nun, wir werden sehen. Mir ist da gerade nicht sehr optimistisch zumute, aber gerne lasse ich mich eines Besseren belehren.

 

Diesen Beitrag widme ich dem Gemeinschaftsprojekt von Petra Pawlofsky Die Natur und Erde schützen/ ein Gewinn“.

https://pawlo.wordpress.com/2020/03/17/in-stille-in-quiet/

 

Autor: Ines Udelnow

Portraitzeichnungen, Zeichnungen aus der Natur und Naturfotografie

27 thoughts

  1. „Angesichts der teilweisen Dauerblüte vereinzelter Knospen den gesamten vergangenen warmen Winter über hatte ich ein wenig Sorge gehabt, dass dieses Jahr die Blüte ausfallen könnte. Oder zumindest sehr karg bleiben. Grundlos, zum Glück. Doch frage ich mich, ob wir diesen hübschen Anblick angesichts unserer lahmen Pseudoanstrengungen im Kampf gegen Erderwärmung und Klimawandel verdient haben“ — Ist dir noch nie der Gedanke gekommen, dass dies Erderwärmungsszenario genauso wie jetzt das Corona-Todesschwadron-Szenario eine Projektion ist? Und dass „der Kampf gegen… (hier setze ein, was du willst)“ eigentlich ein Kampf gegen die eigenen Gespenster ist, die in der Seele sitzen?

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  2. Zum anderen Thema: als „potentielle Virenschleuder“ ist es ja selbstverständlich, auf Abstand zu gehen. Was aber jetzt geschieht, scheint mir übertrieben zu sein. Daß auch Spielplätze nicht benutzt werden dürfen, daß Altenheime und Kliniken schließen … , nun auch Kirchen…. Welch eine Vereinsamung kommt auf viele zu! Wir müssen Menschen, Mitmenschen bleiben! Dafür müssen wir uns wach und offen halten und erfinderisch werden.

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    1. Für den Erfindungsreichtum der Leute gibt es ja zum Glück einiges an Beispielen: Fenstermusik, gemeinsamer Applaus, online-Konzerte, Lesungen, nachbarschaftliche Vernetzung und Hilfe.
      Was die Virenschleuder angeht: manche infizieren sich, haben aber (noch) keine Symptome und scheinen gesund, übertragen aber schon das Virus munter weiter. Daher sollen ja auch wir alle – krank oder gesund – unsere Sozialkontakte einschränken. Für manche ist das sicher ein großes Übel; nicht zu vergessen, die von Lebensmitteln der Tafel abhängig sind oder keine eigene Wohnung haben und für die derzeit fast alle Hilfen wegfallen.

      Und bei Kindern ist es leider so, dass sie oft gar keine besonderen Symptome zeigen, aber trotzdem Überträger sind. Und wenn sich sich untereinander begegnen in Kita oder auf dem Spielplatz (oh, in Berlin ist das gerade bei Frühlingswetter auf den Spielplätzen eng an eng), sich dort gegenseitig anstecken und die Viren dann an Eltern und deren Kontaktpersonen weitergeben, dann breitet sich das Virus exponentiell aus. Wenn also Kinderläden geschlossen sind, dann müssen leider konsequenterweise auch die Spielplatzbesuche wegfallen. Auch wenn das für Eltern und Kinder wirklich und verständlich richtig richtig übel ist…

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      1. Vielen Dank . So ist also doch alles gut durchdacht. Ich will mich ja auch daran halten. Aber wir müssen dabei noch lernen, die Stimme des Herzens noch stärker zu hören als bisher. Vom Erfindungsreichtum würde ich gern noch mehr erfahren, z.B. der Fenstermusik. Das hört sich gut an. Nachbarschaftshilfe ist auch wichtig, kann neu entwickelt werden.

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  3. Diese Blütenpracht ist ein Geschenk des Himmels! Verdient haben wir es sicher nicht. Umso mehr dürfen wir uns daran erfreuen, solange so etwas noch möglich ist. Die Natur ist ja so verschwenderisch, also kein bißchen egoistisch oder knauserig. Auch fürchtet sie nicht, daß sie durch solch ein Verschenken ärmer wird. Im Gegenteil: sie wird dadurch nur noch prächtiger. Allerdings ist es wohl auch so, daß gerade vor einem drohenden Ende das Blühen und Reifen noch intensiviert wird.

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      1. Gemeint ist, dass wir uns vielleicht doch noch alle zusammen verständigen, gemeinsam gegen Klimawandel und Co anzugehen und die Erderwärmung zu begrenzen (wenn schon nicht aufzuhalten oder umzukehren) und so verhindern, dass es für noch viel mehr Menschen als ohnehin schon sehr ungemütlich auf der Erde wird.

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      1. Leider komme ich jetzt erst zu meinem Kommentar.
        Hab ganz herzlichen Dank dafür, dass du diesen Beitrag unserem Projekt widmest!
        Allein schon diese herrlichen Fotos sind Hingucker lassen lächeln, auch wenn du gerade nicht so optimistisch „unterwegs“ bist. Umweltkrise und auch noch die Coronakrise, da fällt es einfach schwer , Frohmut zu bewahren. Ich weiß nicht, welche Blüten das nun sind, aber beim“Mandelzweig“ fällt mir folgendes Gedicht ein:
        Das Zeichen
        Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt, ist das nicht in Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?
        Dass das Leben nicht verging, so viel Blut auch schreit, achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit. Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht. Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht. Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt, das bleibt mir ein Fingerzeig für des Lebens Sieg.
        ( Schalom Ben-Chorin)
        Ohne Hoffnung wird jede Situation noch hoffnungsloser, oder überhaupt erst hoffnungslos.
        Deswegen hoffe ich weiter, dass wir beides doch noch gut schaffen , Corona und Naturschutz.
        Zwingt uns Corona jetzt doch bereits zu einem bescheideneren, ruhigeren Leben, was auch der Natur zugute kommt.
        Lieben Dank für deine Bilder, Erfahrungen und deine Gedankenanstöße! Liebe Grüße, Petra

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